70-Prozent-Regelung bei PV-Anlagen

Kai Janßen
Zuletzt aktualisiert: 17/09/2023

Laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) unterliegen seit 2012 Photovoltaikanlagen bis 25 Kilowatt der Wirkleistungsbegrenzung, auch 70%-Regelung genannt. Die betroffenen PV-Anlagen müssen mit einer Steuerungseinrichtung ausgestattet sein oder die Stromeinspeisung muss auf 70 % der Maximalleistung begrenzt werden.

Im Oktober 2022 hat die Bundesregierung die Abschaffung der 70-Prozent-Regelung beschlossen.

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70%-Regelung einfach erklärt

Die 70-Prozent-Regelung wurde 2012 eingeführt, um die Stromnetzstabilität zu gewährleisten. Das EEG erteilte den Netzbetreibern daher das Recht, eine aus der Ferne kontrollierbare Funksteuerung der Solaranlagen zu verlangen, mit der sich die Einspeisung drosseln lässt. 

Die Kosten dieser Steuereinheit sind für Anlagen auf privaten Hausdächern jedoch unverhältnismäßig hoch. Private PV-Besitzer können deshalb auf die Steuereinheit verzichten. Im Gegenzug müssen sie jedoch die Maximalleistung ihrer Photovoltaik begrenzen. 

Wenn man weder Steuereinheit noch Wirkleistungsbegrenzung in seiner Photovoltaikanlage installiert hat, erhält man auch keine Einspeisevergütung vom Netzbetreiber. 

70%-Regelung: Für wen gilt die neue Regelung?

Die 70%-Regelung für Photovoltaikanlagen wurde mit dem EEG im Jahr 2012 eingeführt. Sie galt für alle PV-Anlagen bis zu einer Leistung von 25 kWp. Gesetzlich geregelt ist dies im § 9 des EEG. Der Paragraf bezieht sich auf die technischen Vorgaben für den Ausbau erneuerbarer Energien. 

Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise will die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um den Gasverbrauch zu reduzieren und die Stromversorgung in Deutschland weiterhin gewährleisten zu können. Dazu gehören der Ausbau und die Transportkapazität des Stromnetzes. 

Ursprünglich war die Abschaffung der 70%-Regelung durch das EEG 2023 für den 01.01.23 geplant. Das Bundeskabinett hat jedoch in einem Eilverfahren am 14.09.2022 beschlossen, die Anpassungen des Energiesicherungsgesetzes bereits ab Oktober 2022 geltend zu machen.

Dabei gelten die folgenden neuen Regeln:

  • Alle nach dem 14.09.2022 neu installierten PV-Anlagen bis 25 kWp sind nicht mehr von der 70-Prozent-Regelung betroffen.
  • Bei bestehenden PV-Anlagen bis einschließlich 7 kWp installierter Leistung wurde die 70%-Regelung zum 01.01.2023 abgeschafft.
  • Für bestehende Photovoltaikanlagen mit mehr als 7 kWp Leistung gibt es eine Sonderregelung. Diese besagt, dass die Messstellenbetreiber verpflichtet sind, alte Stromzähler durch intelligente Smart Meter zu ersetzen. Sind diese installiert, entfällt die 70-Prozent-Regelung auch für diese Anlagen.   

Kritik an der Abschaffung der 70-Prozent-Regelung

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, begründete die Abschaffung der 70%-Regelung damit, eine kurzfristige Erhöhung der Stromproduktion aus Photovoltaik zu erzielen und so zu der Sicherung der Energieversorgung beizutragen. 

Aus der Solarbranche gibt es jedoch auch kritische Äußerungen zur Abschaffung der Wirkleistungsbegrenzung von PV-Anlagen. So ist diese für Bestandsanlagen unverhältnismäßig teuer und würde im Winter kaum einen Mehrertrag an Solarstrom einbringen. Photovoltaikanlagen erzielen ihre Maximalleistung nämlich nur in den Sommermonaten. Im Winter greift die 70%-Regelung deshalb kaum. Eine Erhöhung der Stromproduktion wird nicht erreicht. 

Außerdem herrscht bereits ein akuter Fachkräftemangel. Dieser wird verstärkt, wenn Fachfirmen, neben dem Bau neuer PV-Anlagen, nun auch Anträge beim Netzbetreiber stellen müssen. Er muss nämlich überprüfen, ob die Erhöhung der Leistung überhaupt möglich ist. Ist es möglich, müssen die Firmen die Drosselung der Anlage vor Ort aufheben. Dieser Mehraufwand ist unverhältnismäßig und verlangsamt den Ausbau von Photovoltaikanlagen. 

Warum gibt es die Wirkleistungsbegrenzung bei Photovoltaik?

Die 70-Prozent-Regelung wurde 2012 eingeführt, um die Gewährleistung der Stromnetzstabilität sicherzustellen. Ist eine ganze Straße oder Nachbarschaft oder Region mit Photovoltaik ausgestattet und die PV-Anlagen erzielen bei guter Sonneneinstrahlung ihre Spitzenleistungen, kann dies die Stabilität des öffentlichen Netzes beeinträchtigen. Das Stromnetz würde durch die gebündelte Einspeisung der vielen PV-Anlagen überlasten. 

Die Begrenzung der Einspeisung auf 70 % der Höchstleistung der PV-Anlagen soll dafür sorgen, dass das Stromnetz den kompletten Solarstrom auch aufnehmen kann, ohne dabei zusammenzubrechen. 

Wie groß ist der Verlust durch die PV-Wirkleistungsbegrenzung?

Die Wirkleistungsbegrenzung beschränkt die maximale Einspeiseleistung der Photovoltaik auf 70 %. Diese maximale Leistung wird unter idealen Bedingungen, sogenannten standardisierten Testbedingungen (STC), im Labor ermittelt und wird in der Realität gar nicht so häufig erreicht. Die 70-Prozent-Regelung greift daher lediglich an wenigen Tagen im Jahr und das auch nur im Sommer, wenn die Sonneneinstrahlung am höchsten ist. 

Verlust 70-Prozent-Regelung

Der Stromertrag oberhalb der 70 % der Nennleistung wird außerdem nur bei nach Süden ausgerichteten PV-Anlagen erzielt. Ost-West-Photovoltaik erzielt im Schnitt niedrigere Erträge und ist deshalb kaum von der Grenze betroffen. 

Die Verluste bei Südanlagen befinden sich laut dem Fraunhofer ISE zwischen 2 und 5 % pro Jahr. Laut Angaben der Bundesnetzagentur waren im Jahr 2019 rund 2,7 % des gesamten eingespeisten Solarstroms von der 70%-Regelung betroffen. Die Verluste sind also gering.

So können Sie die 70-Prozent-Regelung bei Photovoltaik umgehen

Um Verluste durch die 70-Prozent-Regelung zu vermeiden, sollten Sie gezielt auf den Eigenverbrauch des Solarstroms setzen. Je mehr Solarstrom Sie selbst verbrauchen, desto weniger müssen Sie einspeisen. So verhindern Sie einen Verlust durch unverbrauchten Solarstrom und reduzieren obendrein gleichzeitig Ihre Stromkosten enorm. 

Ein Energiemanager kann der erste Schritt zur Erhöhung des Eigenverbrauchs sein. Er erkennt automatisch einen Stromüberschuss der PV-Anlage und setzt ihn effizient im Haushalt ein. Der Energiemanager ist dafür mit der Photovoltaik und den elektrischen Verbrauchern im Haushalt verbunden. Entsteht ein Stromüberschuss, leitet der Energiemanager den Solarstrom zu den elektrischen Verbrauchern wie Waschmaschine und Spülmaschine und schaltet diese automatisch an. 

Photovoltaikanlagen erzielen zudem ihre höchsten Erträge um die Mittagszeit, wenn die Sonne eben hoch am Himmel steht. Leider wird dann auch der geringste Strom im Haushalt benötigt. Der Strombedarf ist erst am Abend besonders hoch. Der Eigenverbrauch am Solarstrom einer Photovoltaikanlage liegt deshalb im Schnitt bei nur rund 30 %. 

Um den PV-Eigenverbrauch zu erhöhen, können Sie den PV-Strom in einem Stromspeicher lagern. Der Solarstrom wird dann in der Mittagszeit gespeichert und kann am Abend verwendet werden. So lässt sich der Eigenverbrauch auf 60 bis 70 % steigern. Die 70%-Regelung hat so keine Relevanz mehr für Sie. 

Ebenfalls effizient zur Steigerung des Eigenverbrauchs ist der Betrieb einer Wärmepumpe. Betreiben Sie eine Wärmepumpe mit Ihrem eigenen Solarstrom, erhöhen Sie nicht nur Ihren Eigenverbrauch auf rund 60 %, sondern Sie sparen auch einiges an Heizkosten. 

Fazit

Die 70-Prozent-Regelung ist eine Wirkleistungsbegrenzung für Photovoltaikanlagen und war als Sicherheitsmaßnahme für die Stabilität des öffentlichen Netzes gedacht. Je nach Lage und Ausrichtung der PV-Anlage kommt es zu Einnahmeverlusten zwischen 2 und 5 % im Jahr durch die Regelung. Die Regelung galt nur für kleine Anlagen bis 25 kWp, da größere Solaranlagen mit einer Steuereinheit versehen sind, über die der Netzbetreiber die Einspeisung ins öffentliche Netz drosseln kann.

Mit Einführung des EEG 2023 und den Neuerungen im Energiesicherungsgesetz sind neu installierte Solaranlagen seit dem 14.09.2022 nicht mehr von der 70%-Regelung betroffen. Für bestehende PV-Anlagen gibt es ebenfalls Sonderregelungen zur Abschaffung ab dem 1. Januar 2023. Diese werden jedoch mit Kritik gesehen, da die Abschaffung für Bestandsanlagen unverhältnismäßig teuer und zeitaufwendig ist. Der dadurch erzielte höhere Stromertrag ist dazu vergleichsweise mickrig.